„My name is Ralf. I'm a Policeman“
Männer in Uniform und mit Waffe waren für Flüchtlinge keine Botschafter von Vertrauen
Erst ein paar Wochen ist es her, dass aus der ehemaligen Schule an der Lewacker Straße ein Notaufnahmelager für Flüchtlinge wurde. Viele haupt- und ehrenamtliche Helfer der verschiedensten Institutionen kümmern sich seitdem um die in Linden gestrandeten Menschen. Schnell ist der Alltag eingekehrt. Das Leben an der Lewacker Straße hat sich trotzdem verändert und stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Auch die Polizei.
Es ist halb zehn Uhr morgens, Polizeihauptkommissar Ralf Heisterkamp ist im Dienst. Eine seiner Aufgaben: Er ist Präsenzbeamter in der Flüchtlingsunterkunft. Mehrmals täglich schauen die Beamten der Polizeiwache Südwest an der Lewacker Schule vorbei. Kontakt zu den Menschen aufnehmen und Vertrauen aufbauen, das ist das Wesentliche ihrer Aufgabe - und der Grund für ihre häufige Präsenz. Die Aussage: „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ bekommt in der Flüchtlingsunterkunft eine andere Dimension. Denn in den Herkunftsländern der Menschen sind Männer mit Uniform und Waffe keine Botschafter von Freundschaft und Vertrauen - ganz im Gegenteil. Sie sind in der Regel Auslöser für Angst, Schrecken und Gewalt, an deren Ende letztendlich die Flucht steht.
Im Innenhof trifft Heisterkamp auf einige junge Männer, die sich gegenseitig einen Ball zukicken. Ein gut gelauntes „Good morning, Sir‘s“ ruft er ihnen zu, während er seine Dienstmütze abnimmt und die Waffe an seiner Seite geschickt verdeckt. Ein vielstimmiges und ebenso freundliches „Good morning“ bekommt er zur Antwort. Ein paar Worte auf Englisch werden gewechselt. Alles ist o.K. heute. Die Männer fühlen sich wohl, sie lachen und freuen sich. „Bei den Erwachsenen ist es manchmal schwierig, in Kontakt zu kommen“, sagt Heisterkamp. Vertrauen braucht Zeit. Und hier ist Heisterkamp nicht nur dienstlich, sondern auch menschlich gefordert.
Er geht auf die Menschen zu. Offen und ehrlich. Ohne Mütze und mit verdeckter Waffe. Ein junger Afrikaner sitz auf einem Geländer und betrachtet still den großen Mann in Uniform, der entspannt auf ihn zukommt. „My name is Ralf. I’m a Bochumer Policeman“, stellt er sich denen vor, die ihn noch nicht kennen. „I’m Sam“, antwortet der junge Mann und lächelt. „Nice to meet you“, antwortet der Polizist. Die erste Hürde ist genommen. „Einfacher ist es bei den Kindern“, weiß Heisterkamp, der dann auch mal auf dem Fahrrad gemeinsam mit den Kids über den Schulhof fährt.
Haben die Flüchtlinge erst einmal Vertrauen gefasst, dann kommt der Rest fast von ganz allein. „Wir wollen Ansprechpartner in jeder Situation sein. Auch für die Sorgen und Nöte der Menschen“, sagt Heisterkamp. Den Flüchtlingen ein Gesicht geben. Ein Konzept, das aufgeht. „Welches aber nur funktioniert, wenn alle Beteiligten gut zusammenarbeiten. Und das klappt hier sehr gut“, betont der Polizeibeamte.
Nach dem Besuch in der Unterkunft folgt der „offensive Streifengang“ um das Gelände. „Natürlich sind wir auch für die Anwohner da und jederzeit ansprechbar. Sollte es mal zu Problemen oder Missverständnissen kommen.“ Die Sorgen und Nöte der Anwohner unterscheiden sich diesbezüglich drastisch von denen der Flüchtlinge.
Es ist ein ordentlicher Spagat, den Heisterkamp jeden Tag vollbringt. Und das tut er voller Überzeugung. „Wenn ich hier nicht im Dienst wäre, dann würde ich auf jeden Fall ehrenamtlich mithelfen“, sagt er. „Und ich würde mir wünschen, dass diese Menschen eine Zukunft in Bochum haben.“ Ein vergeblicher Wunsch. Nach nur knapp vier Wochen wurden die ersten 145 Flüchtlinge nach Essen gebracht, wenig später kamen bislang 94 neue Flüchtlinge in die Notunterkunft an der Lewacker Straße. Heisterkamps Arbeit, Vertrauen aufzubauen zu Menschen, die eigentlich vor Männern mit Uniform und Waffen geflohen sind, beginnt wieder ganz von vorne.