Ein Hauch von Nostalgie

Doris und Paul Kook stehen seit 50 Jahren hinter der Ladentheke
Wir schreiben das Jahr 1965. Ludwig Erhard ist Bundeskanzler, Werder Bremen wird Deutscher Fußballmeister, der halbe Liter Bier kostet 65 Pfennig, und in Linden eröffnen Doris und Paul Kook ihr eigenes Lebensmittelgeschäft. Und während im Lauf der Jahrzehnte alles vergänglich ist - der Laden des Ehepaares Kook ist geblieben.
Ein Hauch von Nostalgie weht einem entgegen, wer die alte braune Holzeingangstür öffnet. Davor künden Kreidetafeln von belegten Brötchen mit „Wurst oder Käse“ und Bratheringen, die heute im Angebot sind. Hinter der Ladentheke steht der 78-jährige Paul Kook und bedient freundlich die Kundschaft. In dem kleinen Laden an der Lindener Straße scheint die Zeit fast stillzustehen. Die Ladeneinrichtung ist noch immer dieselbe wie vor 50 Jahren und die vielen Werbeplakate, Schilder und Bilder ebenfalls. Was anderswo trendmäßig wiederbelebte Tante-Emma-Läden auf Retro und Nostalgie trimmen, ist bei den Kook’s noch echt. Einfach irgendwie dageblieben. „Verändert hat sich hingegen das Geschäft, die Produkte und die Kundschaft“, erzählt Paul Kook, der mit seinem Laden der letzte seiner Art weit und breit ist. „Als die Supermärkte kamen, brach der Umsatz rapide ein und die kleinen Läden, wovon es hier etliche gab, machten einer nach dem anderen zu.“ Das Ehepaar, welches aus Weitmar stammt, ließ sich nicht von Billigdiscountern und Einkaufszentren in die Knie zwingen. Und sie ließen sich auch nicht von durchaus interessierten Handelsketten „kaufen“. Da ist Paul Kook rigoros, und darauf ist er stolz. Der „große Reibach“ war ihm nie so wichtig. „Wir haben uns so stets eine Eigenständigkeit bewahrt.“
Seine Frau Doris ist mittlerweile dazugekommen und schneidet Käse in Scheiben. Natürlich mit einer manuellen Maschine. Und auch die alte Waage wirkt wie ein Relikt. Natürlich gibt es auch eine elektronisch digitale Waage, „aber die geht so oft kaputt“, sagt der 78-Jährige. Das „alte Schätzchen“ hingegen hat ihn noch nie im Stich gelassen.
Fast ein bisschen wehmütig wirkt die Ladeneinrichtung mit den heute gängigen Produkten. Früher gab es hier Hering, Sauerkraut und Marmelade frisch aus dem Fass. Unzählige Gewürze in kleinen Holzschubladen. Würste und Schinken baumelten an Fleischerhaken. Doch nichts ist von dem geblieben. Heute gibt es hier ein bisschen von fast Allem. Auf den wenigen Quadratmetern tummeln sich Obst und Bindfaden, Kekse und Waschpulver, Weihnachtsbaumkugeln und Grillkohle. Kaugummi, Milch im Tetra-Pack, Schulhefte und geschnittenes Brot.
Auch die Kundschaft hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert. „Am Eröffnungstag war viel Trubel“, erinnert sich Doris Kook. „Anschreiben lassen“ war Gang und Gäbe. „Man hat immer sein Geld pünktlich, wenn bei den Leuten Zahltag war, bekommen. Auf den Pfennig genau“, sagt sie. Heute funktioniert das nicht mehr. Und heute ist auch der Umsatz nicht wirklich etwas, wovon es sich leben lässt. Das Ehepaar Kook hält dennoch fest an seinem kleinen Laden und denkt auch längst nicht ans Aufgeben. Das haben sie in den ganzen 50 Jahren nicht getan. Und außerdem: „So gar nichts machen und den ganzen Tag nur rumsitzen, taugt auch nicht“, befindet Paul Kook.
Und dann erzählt er wieder von früher. Und fast ist es einem so, als sei hier die Zeit stehen geblieben.