Azubi im Homeoffice
Das hatte sich Niklas Stawars wohl auch ein bisschen anders vorgestellt. Als der Abiturient aus Wiemelhausen im vergangenen August seine Ausbildung beim Sparkassen-Immobiliendienst antreten sollte, war im Büro eigentlich gar kein Platz für ihn. Schuld waren die strengen Corona-Beschränkungen. Nur noch fünf von 25 Mitarbeitern durften ihren Dienst in der Zentrale am Dr.-Ruer-Platz versehen. Was dann jedoch passierte, bezeichnet der inzwischen 21-Jährige als „absoluten Glücksfall“.
„Eine Woche vor Beginn der Ausbildung hatten wir noch immer keine Lösung“, erinnert sich Hermann Schulz, Leiter der Abteilung Investmentimmobilien. Deshalb habe der neue Azubi die ersten Tage auch erst einmal zu Hause bleiben dürfen. Hinter den Kulissen wurde weiter intensiv nach einer Möglichkeit gesucht, um den Ausbildungsbeginn nicht verschieben zu müssen. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell: Schulz erklärte sich bereit, den neuen Lehrling einfach mit nach Hause zu nehmen. „Ich habe genug Platz für uns beide.“ Auch seine Frau, die ebenfalls im Home-Office arbeitet (allerdings in einem anderen Zimmer), sei einverstanden gewesen. Damit konnte es dann auch sofort losgehen.
Das war natürlich erstmal ein komisches Gefühl“, erinnert sich Stawars. Er hatte nach seinem Abitur im Jahr 2019 zwar auch in der Immobilienabteilung der Sparkasse ein Praktikum absolviert, seinen Ausbilder dabei aber nicht kennengelernt. „Ich wusste deshalb auch gar nicht, was auf mich zukommt.“ Bei einem Vorgesetzten an der Haustür zu klingen sei schließlich immer noch etwas anderes, als morgens im Büro aufzutauchen. Doch die beiden haben sich auf Anhieb verstanden. „Es war eines der besten Dinge, die mir passieren konnten“, sagt Stawars rückblickend. „Ich bin absolut dankbar.“
Trotz der familiären Home-Office-Atmosphäre halten sich beide an formale Grundregeln, um den Arbeitstag so normal wie möglich zu gestalten. Dienstbeginn ist morgens um neun, Feierabend in der Regel gegen 17 Uhr. Auch die Kleiderregel wird nicht gelockert. „Wir tragen immer Anzug“, so der 21-Jährige. „Dann ist es leichter, in den Arbeitsrhythmus zu kommen.“ Das Home-Office selbst gleicht ohnehin einem ganz normalen Büro: 22 Quadratmeter groß, zwei Schreibtische, zwei Computer, dazwischen eine Corona-Trennschreibe. Auch sonst werden die Corona-Regeln streng eingehalten. Es wird gelüftet und Abstand gehalten. Beim Verlassen des Arbeitsplatzes oder des Essplatzes gilt Maskenpflicht. Die Ausbildung selbst ist intensiv. Eine 1:1-Betreuung, die im normalen Berufsleben wohl eher selten vorkommt. Das weiß auch Stawars zu schätzen. „Ich bin ganz eng am Beruf und bekomme unwahrscheinlich viel beigebracht.“ Sein Fachwissen habe sich schon deutlich vergrößert. Der 21-Jährige ist allerdings nicht nur eng am Beruf, sondern auch eng an der Familie. „Ich bin da wie ein dritter Mitbewohner“, lacht er.
Jeden Mittag werde gekocht, dann gemeinsam gegessen. „Manchmal habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Das ist ja nicht selbstverständlich.“ Doch Schulz findet das völlig in Ordnung. „Das ist ein bisschen so, wie vor 50 Jahren“, schmunzelt er. „Da gehörte der Lehrling auch zur Familie...“ Sobald der Lockdown vorbei ist und die Corona-Regeln wieder gelockert werden können, soll natürlich auch Stawars die Luft der Zentrale schnuppern und die anderen Mitarbeiter des Immobiliendienstes kennenlernen. Bisher geht das nur über Telefon oder Video-Konferenz. Doch das sei natürlich nicht dasselbe. „Das Soziale fehlt einfach ein bisschen“, so Stawars.
Dreieihalb Jahre dauert die Ausbildung zum Immobilienkaufmann mit Schwerpunkt Makler. Ein gutes halbes Jahr ist vorbei. Es dürfte also noch genug Zeit bleiben, auch den ganz normalen Büroalltag kennenzulernen. Bis dahin fährt Stawars aber erst einmal weiter jeden Morgen von Wiemelhausen zum Stadtpark, um von Schulz noch mehr über die Welt der Immobilien zu lernen. „Ich fühle mich da extrem wohl“, sagt er. Und Schulz gibt das Kompliment gerne zurück: „Ich empfinde das auch alles als sehr angenehm.“