Eine neue Kultur des Alterns
Wenn Deutsche und Muslime gemeinsam alt werden
Längst ist der demographische Wandel im Ruhrgebiet angekommen. Während die Zahl der Einwohner unter 60 Jahren unaufhörlich schrumpft, steigt die Anzahl der Senioren und damit auch der Pflegebedürftigen enorm an und stellt Pflegeeinrichtungen vor manche Herausforderung. Neben dem Fachkräftemangel wirft ein ganz anderes Thema Fragen auf. Denn fest steht: gealtert wird zunehmend - in jeder Kultur. Nicht nur Deutsche werden älter, sondern auch die zahlreichen Zuwanderer mit Migrationshintergrund.
Mittlerweile wächst bei vielen türkischen Familien die dritte und vierte Generation heran. Und schon längst nicht mehr gehen viele der Älteren nach erreichen des Rentenalters zurück in ihr Heimatland. Die erste Generation der Einwanderer, die schon vor Jahrzehnten nach Deutschland kam, tut sich allerdings schwer mit dem Gedanken, den Lebensabend in einem Seniorenzentrum zu verbringen. „Das liegt an der Kultur, in der diese Generation noch fest verankert ist“, erklärt Hafize Cakar, „während die Nachfolgegenerationen sich immer mehr anpassen.“ Cakar ist bei der Ifak in Dahlhausen zuständig für Integration und kümmert sich auch um muslimische Senioren. „Der Umzug in ein Altenheim ist in der türkischen Kultur im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis. Dorthin geht man nur, wenn man sonst nichts und niemanden hat“, so Cakar weiter. „Die Seniorenheime müssen sich früher oder später interkulturell öffnen“, sagt sie.
Um Hemmschwellen bei den türkischen Senioren abzubauen, kooperieren Ifak und das Rosalie-Adler-Seniorenzentrum in Dahlhausen bereits seit einiger Zeit. Elke Ferdinand-Lambrecht, Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums, und Veronika Stupp vom sozialen Dienst begrüßen und unterstützen das kulturübergreifende Projekt. Gegenseitige Besuche und das gemeinsame feiern deutscher wie türkischer Feste sollen Hemmschwellen abbauen und Akzeptanz schaffen. „Bei der Generation, die den Krieg noch miterlebt hat, ist das nicht immer ganz so einfach“, sagt Ferdinand-Lambrecht. Kulturen, die vor ein paar Jahrzehnten noch unvorstellbar weit voneinander entfernt waren, leben im Alter plötzlich gemeinsam unter einem Dach.
Zurzeit ist eine türkische Bewohnerin in Rosalie-Adler zu Hause. Hier wissen die Beteiligten um die Thematik, die mittelfristig auftreten könnte. „Das größte Problem ist zweifelsohne die Sprachbarriere. Denn nur wenige der türkischen Senioren haben seinerzeit die deutsche Sprache erlernt“, erklärt Ferdinand-Lambrecht. Können die Pflegefachkräfte in Sachen Kommunikation noch auf zwei türkische Mitarbeiterinnen bauen, so tun sich in Punkto Glaube und Esskultur wieder andere Fragen auf. „Im Idealfall bräuchte man einen eigenen Gebetsraum und einen türkischen Koch. Die Küche müsste unterteilt sein, da sich die unterschiedlichen Lebensmittel nicht berühren dürfen“, erläutert Stupp.
Und wie wird mit dem gesundheitlichen Aspekt beim Ramadan, der muslimischen Fastenzeit, umgegangen? „Ich weiß nicht, inwiefern das aus medizinscher Sicht vertretbar ist“, sagt Stupp, „da momentan der Bedarf nur vereinzelt auftritt, sind diese Dinge noch kein großes Thema hier im Haus. Aber sollte es so kommen, wäre eine völlige Umstrukturierung innerhalb der Seniorenzentren notwendig.“