Ein stummer Zeuge

Die wechselvolle Geschichte eines stolzen Gebäudes – Warten auf den Supermarkt
Gut eineinhalb Jahre ist es her, dass das Kaufhaus Wortmann an der Hattinger Straße 774-776 seine Türen schloss. Seitdem wirkt das historische Gebäude, wo demnächst ein moderner EDEKA-Supermarkt Einzug halten soll, wie Vergessen. Einzig die prächtige Jugendstilfassade ist ein stummer Zeuge der Vergangenheit. In seinem Inneren beheimatet das Kaufhaus übrigens noch eine kleine Besonderheit: Die erste und einzige Rolltreppe in Linden.
Vor dem Gebäude geben Stolpersteine, die im Bürgersteig vor der ehemaligen Eingangstür für das ehemalige jüdische Inhaber-Ehepaar Hugo und Johanna Marcus eingelassen sind, Raum zum Nachdenken und sind ein Symbol gegen das Vergessen.
Lange bevor das Kaufhaus Wortmann seinen Sitz in dieses Gebäude verlegte, war dort das „Kaufhaus Marcus“ ansässig. Hugo Marcus wird erstmals 1908 als Kaufmann und Eigentümer (damals Königstraße 85) aufgeführt. Das Geschäft florierte bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten 1933. Was in jahrelanger Arbeit geschaffen wurde, musste aufgrund des Judenboykotts Stück für Stück verkleinert werden. Bis hin zur Zwangsvermietung des Gebäudes.
Zu dieser Zeit fassten die Eheleute Hugo und Johanna Marcus einen folgenschweren Entschluss: Da sie ihr Lebenswerk in Linden nicht aufgeben wollten, traten sie nicht die Flucht ins Ausland an, sondern blieben.
In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird Marcus zunächst in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, aus dem er 1939 wieder freikommt. Im Rahmen der „Arisierung“ muss das Ehepaar noch im selben Jahr umziehen, vermutlich in eines der Bochumer Judenhäuser. Am 28. April 1942 schließlich werden die beiden vom Dortmunder Bahnhof nach Zamosc in ein Judenghetto transportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Später wurde bekannt, dass keiner der Menschen diesen Transport überlebt hatte.